good practices

Internationale Good Practices

Regionen ohne Langzeitbeschäftigungslosigkeit in Frankreich

Frankreich kämpfte bereits vor der Pandemie mit hoher Arbeitslosigkeit und hartnäckiger Langzeitarbeitslosigkeit. Nach internationaler Definition lag die Arbeitslosigkeit in Frankreich zuletzt bei knapp 8% und damit deutlich über dem EU-Schnitt von 6,7%. Gleichzeitig gibt es große regionale Unterschiede.

Um diesem Trend etwas entgegenzusetzen, erprobt Frankreich seit 2015 ein arbeitsmarktpolitisches Experiment: In 10 Regionen soll Langzeitarbeitslosigkeit beendet werden. Die dahinterstehende Überlegung ist, dass niemand unvermittelbar ist, aber nicht alle zu den Anforderungen des ersten Arbeitsmarkts arbeiten können, es aber nicht an Arbeit fehlt, sondern lediglich an Arbeitsplätzen, die gesellschaftlich notwendige Tätigkeiten abdecken. Außerdem, so die Annahme, fehlt es auch nicht an Geld, denn Langzeitarbeitslosigkeit verursacht hohe Kosten, für die Gemeinden, die öffentliche Hand und auch für die Betroffenen. Ziel ist es, allen Langzeitarbeitslosen einer Region ein vollversichertes Beschäftigungsverhältnis anzubieten, das mit dem französischen Mindestlohn entlohnt wird. Dieser lag zuletzt bei rund 1.554 Euro monatlich bei einer Vollzeitanstellung (35h).

Finanziert wird das Experiment aus einem „Experimentierfonds“, der sich aus öffentlichen Mitteln ebenso wie aus Beiträgen privater Organisationen speist. Der ESF-kofinanzierte Verein „Territoires zéro chômeur de longue durée“ (TZCLD) unterstützt Regionen und Projektträger*innen bei der Umsetzung. Die Umsetzung erfolgt in mehreren Phasen und beruht auf Partizipation aller relevanten Stakeholder: Nach einer Konsensfindung innerhalb der Region werden die Fähigkeiten der Teilnehmenden erhoben und mit den Bedarfen der Region abgeglichen. So entstehen auf Basis vorhandener Kompetenzen sozial und ökologisch nachhaltige, regionale Jobs für die Region und deren Bewohner*innen. Die Beispiele reichen von Grünraumbewirtschaftung über Fahrradwerkstätten bis hin zu Fahrtendiensten. Die Pilotphase des Experiments war mit 2020 abgeschlossen, erste Evaluationsergebnisse deuten in eine positive Richtung. Das Konzept soll in den nächsten Jahren auf weitere Regionen ausgeweitet werden.

Evergreen Cooperatives: Das Cleveland Modell

Die Stadt Cleveland liegt in Ohio, im sogenannten „rust belt“ der Vereinigten Staaten, und ist stark von Deindustrialisierung mit all ihren wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen betroffen. Zwischen 1990 und 2016 gingen Schätzungen zufolge 396.000 Jobs verloren. Ganze Stadtviertel wurden vernachlässigt und die Armutsbetroffenheit stieg rasant an. In sechs an die Universitäten der Stadt angrenzenden Vierteln leben mindestens 43.000 Menschen von weniger als 18.500 US-Dollar jährlich.

Um diesen Trend zu beenden und eine positive Entwicklung für die Stadt zu ermöglichen wurde im Jahr 2008 von einer Kooperation der NGO Democracy Collaborative, der Cleveland Foundation, der Stadtregierung sowie Ankerinstitutionen der Stadt (Universitäten, Krankenhäuser) der Genossenschaftsverband „Evergreen Cooperatives“ ins Leben gerufen. Ziel ist es, in der Region erwirtschafteten Wohlstand zu halten. Die Organisationen im Genossenschaftsverband bieten Wäschereidienste an und produzieren lokales Gemüse, beides wird von den Ankerinstitutionen zugekauft. Mitarbeiter*innen von Evergreen Cooperatives sind vorwiegend Bewohner*innen der an die Universitäten angrenzenden Vierteln. Sie sind gleichzeitig Miteigentümer*innen der Genossenschaft. Das bedeutet, dass sie zusätzlich zum überdurchschnittlichen Stundenlohn Unternehmensanteile erhalten.

Das Modell ist erfolgreich und findet bereits Nachahmer*innen an anderen Orten. Zuletzt waren rund 200 Mitarbeiter*innen bei Evergreen Cooperatives beschäftigt, der Jahresumsatz 2019 lag bei rund 12,3 Millionen US-Dollar. Die Tätigkeitsfelder der Genossenschaft werden laufend überprüft und erweitert, zuletzt wurde ein Fonds gegründet, der es ermöglicht, Unternehmen genossenschaftlich weiterzuführen, die andernfalls geschlossen würden. Damit werden weitere Impulse für die Regionalentwicklung gesetzt.

Website Evergreen Cooperatives: http://www.evgoh.com/

YouTube Video zum Projekt: https://www.youtube.com/watch?v=s_kLye_6VBc&feature=youtu.be

Aufbereitung als Fallbeispiel & Links zu weiteren Videos: https://community-wealth.org/content/cleveland-model-how-evergreen-cooperatives-are-building-community-wealth

Community Based Wealth: Das Preston Modell

reston ist eine Stadt im Norden Englands, die von der Abwanderung der Industrie seit Mitte des 20. Jahrhunderts und der Austeritätspolitik nach der Wirtschafts- und Finanzkrise besonders stark betroffen war. Im Jahr 2011 schloss das größte Investitionsprojekt der Stadt, ein Einkaufs- und Geschäftszentrum, wegen mangelnder Rentabilität. Die hohen öffentlichen Investitionen in das Projekt hatten sich nicht gelohnt, stattdessen verschlechterte sich die wirtschaftliche und soziale Lage weiter.

Angesichts dieser Entwicklungen begann die lokale Politik mit der Umsetzung von „community based wealth“ in Preston. Idee des Ansatzes ist es, dass öffentliche Gelder möglichst in der Gemeinde bleiben sollen und öffentliche Investitionen dort Renditen bringen, wo sie investiert werden. Die öffentliche Hand lenkt damit den Markt so, dass er sich den Bedürfnissen der lokalen Gesellschaft anpasst.

„Community based wealth“ basiert auf folgenden Prinzipien:

  • Gemeinschaftliches Eigentum erlaubt es, ökonomischen Einfluss weg von großen Konzernen und deren Shareholdern wieder zurück zu den Gemeinden und deren Bürger*innen zu verlagern.
  • Finanzierung & Investitionen lokal denken: Investitionen sollen dazu dienen, lokalen Wohlstand zu fördern. Daher sollte der Kreislauf möglichst klein gehalten werden, um die Rendite getätigter Investitionen in der Gemeinde zu behalten.
  • Faire Arbeitsbedingungen und gerechte Arbeitsmärkte: Hier kommt gerade öffentlichen Stellen und großen, regionalen Arbeitgeber*innen eine zentrale Rolle zu. Mit der Verpflichtung, existenzsichernde Mindestlöhne zu zahlen und Aufstiegschancen zu bieten, können sie große Wirkung entfalten.
  • Soziale öffentliche Beschaffung als Hebel: Öffentliche Aufträge haben ein großes Investitionsvolumen und sind dementsprechend ein wichtiger Hebel für die Gestaltung der regionalen Wirtschaft. Mit sozialen und ökologischen Kriterien kann der Staat hier aktiv mitgestalten.
  • Sozial produktive Verwendung von Grund und Boden: Öffentliche Güter bleiben in öffentlichem Besitz und sollen für das Gemeinwohl verwendet werden. Das bildet einen Gegenpol zur Privatisierung öffentlicher Güter in den vergangenen Jahren.

Für Preston hat sich dieser Ansatz – der auch ein Stück weit die Abkehr des derzeit vorherrschenden Wirtschaftsmodells darstellt – jedenfalls gelohnt. Seit 2011 wurden mehr als 200 Millionen Pfund in die lokale Wirtschaft reinvestiert, die Arbeitslosenquote ist unter den Landesdurchschnitt abgesunken, der Anteil von trotz Erwerbsarbeit Armen könnte reduziert werden und das Qualifikationsniveau insbesondere der jüngeren Generation hat sich verbessert.

Erste learnings aus dem Ansatz sind, dass Kooperation zwischen unterschiedlichen Akteur*innen, insbesondere einflussreichen Organisationen in der Region und staatlichen Stellen, notwendig ist. Gleichzeitig ist aber „community based wealth“ kontextabhängig und muss für jede Region, jede „community“ neu gedacht, erarbeitet und umgesetzt werden.

> Publikation des Preston City Council: How we built community wealth in Preston

> Aufbereitung des Beispiels durch das Jahoda Bauer Institut