Lernen von Turin’s Ökosystem Sozialer Innovation

eine weiblich gelesene Person steht vor einer Gruppe von Menschen

Anfang November ging es für das SI plus Team nach Turin, dem diesjährigen Preisträger des European Capital of Innovation Awards (iCapital). Veranstaltet von der ESF+ Community of Practice for Social Innovation ging es bei dem Study Visit darum, gemeinsam mit Praktiker:innen aus ganz Europa das Turiner Ökosystem Sozialer Innovation genauer unter die Lupe zu nehmen und davon zu lernen.

Ehemals Industriestadt …

Seit dem Niedergang traditioneller Industrien sah sich das einst von der Automobilindustrie dominierte Turin ähnlichen Herausforderungen ausgeliefert wie andere ehemalige Industriestädte Europas. Heute zeichnet sich Turin durch einen kooperativen, sektorübergreifenden Ansatz zur städtischen und sozialen Erneuerung aus, der auf innovativen Finanzierungsmechanismen, legislativen Instrumenten und einer engen Partnerschaft zwischen öffentlichen, privaten und gemeinnützigen Akteur:innen basiert.

… heute ein Hub für Soziale Innovation

Der Study Visit bot wertvolle Einblicke in den Aufbau und die Funktionsweise eines sozialen Innovations-Ökosystems. Besonders hervorgehoben wurde die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Akteur:innen sowie unterstützende rechtliche und kulturelle Rahmenbedingungen. Wir lernten den Weg Turins kennen, das sich zu einer Drehscheibe für soziale Innovation entwickelt hat. Dabei wurde die Geschichte der Stadt und die einzigartige „territoriale Allianz“ zwischen den Sektoren betrachtet, die Initiativen wie die Turiner Social-Impact-Plattform unterstützt. Diese Plattform fördert die Zusammenarbeit zwischen Investor:innen, (sozialen) Unternehmen und weiteren zivilgesellschafltichen Akteur:innen und trägt dazu bei, die soziale Innovation auf lokaler Ebene nachhaltig zu verankern.

Co-Creation zwischen Stadtverwaltung und Bürger:innen

Ein markantes Merkmal von Turin ist das starke und dynamische lokale Sozialgefüge, das von einer bemerkenswerten Beteiligung der lokalen Behörden getragen wird. Beide Seiten – die Stadtverwaltung und die Zivilgesellschaft – erkennen den gegenseitigen Nutzen einer intensiven Zusammenarbeit. Zentral ist dabei das Subsidiaritätsprinzip, das 2001 in die italienische Verfassung aufgenommen wurde. Es erkennt an, dass nicht nur der Staat, sondern auch die Bürger:innen und zivilgesellschaftliche Organisationen das Recht haben, im Namen des Gemeinwohls zu handeln. Dieses Prinzip wurde 2018 durch das Gesetz zum Dritten Sektor weiter konkretisiert, das den Ansatz der Co-Planung und Co-Design fördert.

Der neue Ansatz ersetzt das traditionelle Modell der Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung durch ein kooperatives Modell, bei dem alle Akteur:innen auf Augenhöhe agieren. Öffentliche Verwaltungen sind nicht länger die alleinigen Entscheidungsträger:innen, sondern arbeiten vielmehr mit der Zivilgesellschaft zusammen, um Lösungen zu entwickeln. Dieses Modell stellt eine innovative Herangehensweise dar, bei der das Ziel nicht primär die Kostensenkung ist, sondern die bestmögliche Erreichung von Ergebnissen im Sinne des Gemeinwohls.

Nationale Kooperation lokaler Ökosysteme

Diese rechtlichen und strukturellen Ansätze bieten wertvolle Lehren für andere europäische Städte, die ähnliche Herausforderungen bewältigen wollen. Der innovative Umgang mit sozialen Bedürfnissen und die enge Verbindung zu den lokalen Gemeinschaften sind maßgebliche Treiber der sozialen Innovation in Turin. Andere italienische Städte, Napoli, Bari und Mailand, gaben ebenso Einblicke in ihre eigenen städtischen Ökosysteme; sie alle gehören zu einem nationalen Netz von Städten der sozialen Innovation, das andere EU-Länder inspirieren könnte.

Schlussfolgerungen und wichtige Erkenntnisse

Die abschließenden Workshops verdeutlichten, dass ein florierendes SI-Ökosystem eine anpassungsfähige Politik, kontinuierliche finanzielle Unterstützung und eine Kultur des Vertrauens zwischen den Beteiligten erfordert. Gesetzliche Instrumente, wie die Reform des italienischen Gesetzes zum Dritten Sektor spielen eine entscheidende Rolle bei der Erleichterung öffentlich-ziviler Zusammenarbeit.

Die Erkenntnisse aus Turin verdeutlichen, dass soziale Innovation auf städtischer Ebene vor allem durch engmaschige, miteinander verbundene Netzwerke unterstützt wird. Diese Netzwerke sind entscheidend für die Skalierung von Initiativen, ohne dass der Fokus auf die Bedürfnisse der Gemeinschaft verloren geht.